Die derzeit im Orbit befindliche Starlink-Satellitenkonstellation. Bild: satellitemap.space

Die derzeit im Orbit befindliche Starlink-Satellitenkonstellation. Bild: satellitemap.space

Immer verbundene Yachten: Die LEO-Revolution zwischen Starlink, OneWeb und Kuiper

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16/12/2025 - 08:00

Innerhalb von nur zwei Saisons hat sich die Satellitenkonnektivität an Bord von Yachten von einem kostspieligen, begrenzten Service zu einer kritischen Infrastruktur entwickelt, die von Eignern, Kapitänen und Crews als selbstverständlich betrachtet wird. Bis vor kurzem war geostationäres VSAT die einzige echte Option; heute definieren die Satellitenkonstellationen im niedrigen Erdorbit – Starlink, OneWeb und in Kürze Amazons Kuiper – technische Standards, Geschäftsmodelle und sogar das Design neuer Builds neu.

Darüber haben wir mit Paolo Tagliapietra gesprochen, der bei Videoworks seit Jahren die Satellitenkonnektivität verantwortet, und mit Eric Beruschi, Sales Account des Unternehmens und neuer Ansprechpartner für Kunden und Werften.

Paolo Tagliapietra (links) zusammen mit Eric Beruschi

PressMare – Paolo, beginnen wir mit dem Status quo: In den letzten Jahren ist Konnektivität an Bord sowohl bei Neubauten als auch bei Refit-Projekten zu einem zentralen Thema geworden. Was hat sich wirklich verändert?

Paolo Tagliapietra – Der Unterschied besteht darin, dass Konnektivität heute kein „Optional“ mehr ist, sondern eine echte Bord-Infrastruktur – vergleichbar mit der Elektroanlage oder der Klimatisierung. Bei Neubauten werden Yachten von Anfang an für LEO-Systeme ausgelegt – vor allem Starlink, ergänzt durch OneWeb – sowie für eine IT-Infrastruktur dimensioniert, die große Datenmengen logisch und sicher verarbeiten kann. Beim Refit arbeiten wir dagegen auf bestehender Basis: Sobald eine Yacht für umfangreiche Arbeiten ins Dock geht, gehört die Konnektivität fast immer zu den Bereichen, in denen der Eigner ein deutliches Upgrade verlangt.

PM – Einer der sichtbarsten Veränderungen ist das Verschwinden der großen Radome auf den Yachtaufbauten. Ist das rein ästhetisch oder steckt mehr dahinter?

PT – Design spielt eine Rolle – Designer wollten seit Jahren „DOMless“-Layouts –, aber der eigentliche Grund ist technischer Natur. Geostationäres VSAT ist eine 30 Jahre alte Technologie, entwickelt für eine Welt, in der ein paar Megabit „viel“ waren. Heute ist es, als würde man zu den analogen Modems der 90er-Jahre zurückkehren: begrenzte Bandbreite, hohe Latenz, hohe Kosten.

Ein praktisches Beispiel: Ich musste kürzlich für einen Kunden in der Türkei ein VSAT reaktivieren, da Starlink dort keine Lizenz besitzt. 5 Mbit/s dediziert für rund 10.000 USD im Monat. Gleichzeitig erreichen dieselben Yachten mit Starlink Maritime Geschwindigkeiten und Kosten, die in keiner Weise vergleichbar sind.

M/Y Project T One Off, 45-Meter-Yacht von Cantiere delle Marche: Das Außendesign von Cassetta Yacht Designers ist dank der von Videoworks an Bord installierten Technologie „DOMEless“

PM – Bei Starlink hat sich die Wahrnehmung im Yachting innerhalb von weniger als zwei Jahren komplett verändert. Wie wirkt sich das an Bord aus?

PT – Wir befinden uns mittlerweile in der zweiten bis dritten vollen Saison mit Starlink auf unseren Kundenyachten, und es hat sich zu einem faktischen Standard entwickelt. 2026 betreuten wir fast 60 Yachten mit Starlink-Verträgen, ohne ernsthafte Serviceprobleme. Ein ursprünglich als Consumer-Produkt entwickeltes System, das sich im maritimen Umfeld äußerst stabil und zuverlässig verhält.

Wir sind in kürzester Zeit von einer Welt, in der Bandbreite „gezählt und gespart“ werden musste, zu einem Szenario übergegangen, in dem Eigner und Gäste Streaming, Videokonferenzen, Cloud-Dienste und unternehmerische Anwendungen „wie zu Hause“ erwarten – überall, wo sich die Yacht befindet.

PM – Physisch liegt der zentrale Unterschied zwischen VSAT und den neuen Konstellationen in der Umlaufbahn. Was bedeutet LEO an Bord einer Yacht?

PT – Das Prinzip ist einfach: Je näher der Satellit an der Erde ist, desto geringer ist die Latenz und desto besser funktionieren zeitsensitive Anwendungen. Geostationäre VSAT-Satelliten liegen bei etwa 36.000 km; das Signal legt eine enorme Distanz zurück – Verzögerungen sind unvermeidlich. LEO-Konstellationen arbeiten deutlich niedriger: Starlink bei ca. 500–600 km, OneWeb bei etwa 1.200 km.

Die derzeit im Orbit befindliche OneWeb-Satellitenkonstellation. Bild: satellitemap.space

Das praktische Ergebnis sind stabile HD-Videokonferenzen, Gaming, Fernüberwachung von Systemen und mehrere parallele Streams. Starlink betreibt inzwischen Tausende Satelliten – über 9.000 – verteilt auf verschiedene Orbitalebenen; die Abdeckung ist so umfangreich, dass der Privatkundenservice in Teilen des Vereinigten Königreichs bereits eine Sättigung erreicht hat.

PM – Du nutzt Starlink und OneWeb in einem komplementären Ansatz. Wie positionieren sich die beiden Systeme wirklich im Yachting?

PT – Starlink ist klar konsumorientiert – erst später wurde eine maritime und avionische Nutzung eingeführt. Der Hauptfokus liegt auf Millionen, eigentlich Milliarden Nutzern an Land. Yachting ist eine Nische, interessant, aber dennoch eine Nische.

OneWeb – heute Eutelsat OneWeb – ist ein professionelles System, ausgelegt für maritime, Öl-&-Gas- und Unternehmensanwendungen; es richtet sich nicht an den Privatkundenmarkt und positioniert sich faktisch als natürlicher VSAT-Nachfolger zur See.

In der Praxis zeigte Starlink hohe Zuverlässigkeit mit seltenen Ausfällen: auf Dutzenden Yachten registrierten wir in drei vollen Saisons nur eine nennenswerte Unterbrechung von etwa drei Stunden.

Tagliapietra mit einer flachen Intellian-Antenne für Eutelsat OneWeb

OneWeb bietet ein geschütztes, professionelles Netz, zeigt aber noch gewisse Instabilitäten und liegt derzeit bei etwa 100 Mbit/s – mit Verbesserungspotenzial, sobald mehr Satelliten aktiv sind.

Unser Ansatz: Starlink als Primärverbindung; OneWeb als erstes Backup, unverzichtbar in Ländern ohne Starlink-Lizenz; 4G/5G als zusätzliche Reserve, heute deutlich weniger genutzt als früher.

PM – Wie stark beeinflusst die Lizenzsituation die Entscheidungen an Bord?

PT – Enorm. Starlink ist stark von der Regulierung einzelner Staaten abhängig. In Gewässern ohne lokale Genehmigung – die Türkei ist das naheliegendste Beispiel – wird der Dienst einfach deaktiviert.

OneWeb bietet als professionelles maritimes Produkt eine globale Abdeckung, die nicht von nationalen Lizenzen abhängt – ausgenommen sanktionierte Länder wie Russland oder China.

Für Eigner, die viel reisen und keine „Lücken“ im Service möchten, ist dies fast genauso wichtig wie Bandbreite.

Eine Starlink-Antenne an Bord einer großen Yacht installiert

PM – Eric, kommen wir zu den Kosten: Früher war Satellitenbandbreite ein schwerer Posten im Budget. Wie positionieren sich LEO-Pakete heute?

Eric Beruschi – Die Situation ist völlig anders. Als OneWeb auf den Markt kam, kostete 1 Terabyte pro Monat 8–9.000 Euro – also auf VSAT-Niveau.

Heute liegen die Preise auf Starlink-Level. Ein TB Starlink Maritime kostet rund 1.390 Euro, OneWeb etwa 1.500. Ein Eigner kann sich also problemlos eine Multilink-Konfiguration leisten – Starlink als Primärlink, OneWeb als Backup – ohne in frühere „überdimensionierte“ Budgetlogiken zu rutschen.

Große Yachten, die 2,5–3 TB pro Monat benötigen, haben weiterhin relevante Kosten, aber diese sind vollständig in die Betriebskosten integrierbar. Für kleinere Yachten gibt es leichtere Starlink-Pakete, sowohl hardware- als auch tarifseitig.

Die entstehende Kuiper-Satellitenkonstellation (Amazon), die sich derzeit im Orbit befindet. Bild: satellitemap.space

PM – Blick nach vorn: Welche Rolle spielt Amazons Projekt Kuiper für das Segment?

PT – Kuiper wird der dritte große Player. Über 150 Satelliten wurden bereits gestartet; die finale Konstellation soll 3.500–3.600 Einheiten umfassen.

Die Roadmap sieht einen Start im privaten Bereich vor, gefolgt von einem maritimen Angebot zwischen Ende 2026 und Anfang 2027.

Amazon hat einen offensichtlichen Vorteil: die schiere Kundenbasis. Viele haben bereits ein Prime-Abo. Modelle wie „für einen monatlichen Aufpreis erhalten Sie auch Satelliten-Konnektivität“ sind leicht vorstellbar.

Technisch kündigt Kuiper ab Beginn Kapazitäten von 1 Gbit/s an – also ein Produkt der Gigabit-Klasse. Unklar sind noch Lizenzfragen und die Unterscheidung zwischen Consumer- und Professional-Profilen. Die Tests laufen jedoch bereits.

PM – Paolo, wie wird mehrfache Konnektivität an Bord technisch koordiniert?

PT – Der Schlüssel besteht darin, nicht mehr in „eine Antenne = ein Netz“ zu denken, sondern in mehreren Internetquellen, die eine einzige logische Architektur speisen.

Typischerweise haben wir Starlink, OneWeb, ein 4G/5G-Modul und im Hafen eine Leitung vom Land.

Alles wird über eine SD-WAN – eine Software-Defined Wide Area Network – verwaltet, die wir gemeinsam mit Speedcast implementieren. Sie entscheidet, welcher Link Priorität hat, wie Bandbreite verteilt wird und wann Backup über OneWeb oder 5G aktiviert wird.

Intern segmentieren wir mit Lösungen wie Kerio: getrennte Netzwerke für Eigner, Gäste, Crew und Schiffssysteme – jeweils mit eigenen Prioritäten.

Eigner erwarten heute hochwertige Videokonferenzen, Zugriff auf Unternehmensserver und digitale Tools wie an Land. Die Nachfrage ist seit Covid deutlich gestiegen, da viele Eigner längere Zeit an Bord verbringen und die Yacht als erweitertes Büro nutzen.

PM – Diese intelligente Verwaltung hilft auch beim Umgehen von geografischen Content-Sperren. Wie funktioniert das?

PT – Wir steuern die IP-Landepunkte. Mit SD-WAN und Teleports können wir die Yacht so konfigurieren, dass sie mit einer IP-Adresse eines bestimmten Landes online geht – als wäre sie physisch an ein Landkabel angeschlossen.

Es handelt sich nicht um ein kommerzielles VPN, das Tausende Nutzer über denselben Tunnel leitet und daher oft blockiert wird. Es ist ein dediziertes, verschlüsseltes und als legitim anerkanntes privates Netz.

Praktischer Effekt: Ein italienischer Eigner kann Sky Italia in der Karibik, im Pazifik oder anderswo sehen – analog für andere Dienste und Länder, innerhalb der Lizenzregeln.

Für uns als AV-Integratoren ist das strategisch: es ermöglicht cloud-basierte Architekturen ohne überdimensionierte lokale Server und garantiert Content-Kontinuität.

PM – Eric, wie wirkt sich all das kommerziell aus?

EB – Sehr deutlich. Bei einem durchschnittlichen Yachtprofil ist der Verbrauch innerhalb eines Jahres von 1 TB/Monat auf 2,5–3 TB/Monat gestiegen.

Zwei Hauptfaktoren: Streaming als dominierende Form der Unterhaltung und die intensivere Nutzung der Yacht als Arbeitsplatz. Für unsere Connectivity-Division bedeutet das rund 30% Umsatzwachstum pro Jahr – durch mehr betreute Yachten und höhere Nutzung pro Yacht.

Starlink hat die historischen VSAT-Margen stark reduziert – marktweit. Aber wir leben nicht von der Bandbreite allein: Unser Modell ist ein End-to-End-Service inklusive Konnektivität, IT-Infrastruktur und AV-Systemen. Bandbreite ist ein Baustein, nicht das Zentrum.

PM – Wie verändern sich die Erwartungen der Eigner zwischen großen Superyachten und kleineren Booten?

EB – Es gibt zwei Welten. Eigner von 50–60-Meter-Yachten (und darüber) wollen einen einzigen Ansprechpartner für AV-Systeme, IT-Infrastruktur, satellitengestützte und terrestrische Konnektivität, mit 24/7-Service – und sind bereit, 15–20 % mehr dafür zu zahlen.

Eigner kleinerer Yachten (20–30 Meter, manchmal 15) bevorzugen oft ein Self-Service-Modell: Starlink-Terminal und Abo selbst kaufen, selbst installieren, selbst betreiben. Das ist sinnvoll bei engerem Budget und weniger komplexer Bordinfrastruktur.

Neu ist, dass wir Starlink mittlerweile auch auf 15-Meter-Booten sehen: Früher wäre dort 4G installiert worden, heute steigt man direkt auf ein LEO-System um, oft die Mini-Version, die der Eigner wortwörtlich im Rucksack trägt. Ein Zeichen für die starke Demokratisierung der Technologie.

PM – Paolo, du sagst oft, dass Konnektivität auch Macht bedeutet. Wie groß wird dieser Faktor künftig sein?

PT – Fast alles, was wir tun, läuft heute über das Internet: Bankgeschäfte, Gesundheitsdienste, öffentliche Verwaltung. Wer Konnektivität kontrolliert, kontrolliert einen Teil der staatlichen Infrastruktur.

Deshalb entwickeln Länder wie China und Russland eigene Konstellationen – oft ohne Transparenz. Es wiederholt sich, was beim GPS geschah: ein amerikanisches System, ein russisches, ein chinesisches, ein europäisches.

Mittelfristig werden wir also mehr Konstellationen, mehr Akteure und eine noch stärkere Abhängigkeit von Weltrauminfrastrukturen sehen.

Für das Yachting bedeutet das komplexere regulatorische und geopolitische Rahmenbedingungen. Die Wahl des Konnektivitätspartners ist nicht mehr nur eine Frage der Bandbreite, sondern der Stabilität, Lizenzen und Zukunftsszenarien.

PM – Eric, abschließend: Was bedeutet es für Videoworks konkret, einen „360-Grad-Service“ in der Konnektivität anzubieten?

EB – Es bedeutet, dass der Kunde bei einem Problem nicht wissen muss, ob es am Satelliten, an einem Bordgerät, an einer Firewall-Regel oder an einem Decoder liegt. Er ruft uns an – oder schreibt auf WhatsApp, was bei vielen Eignern üblich ist – und wir analysieren die gesamte Kette: Zustand der Konstellation (Starlink, OneWeb), Bordnetz, mögliche Überlastung, Anpassungen der Bandbreiten-Policies (mehr Bandbreite für den Eigner, weniger für die Crew) oder Eingriffe in AV-Geräte und Content-Quellen.

Diese Integration funktioniert, weil wir nicht „nur“ Konnektivität managen: wir planen und integrieren das gesamte AV/IT-System an Bord.

Und hier ist der Generationenwechsel entscheidend: Paolo bringt enorme Erfahrung mit – auch als ehemaliger Kapitän, der genau weiß, was es bedeutet, mit oder ohne Internet an Bord zu sein, wenn der Eigner anwesend ist. Meine Aufgabe ist es, diesen Ansatz weiterzuführen und die kaufmännische Rolle mit echter technischer Kompetenz zu verbinden – in einem Markt, der jährlich wächst und immer höhere Ansprüche stellt.

Mittelfristig ist unser Ziel ein vollständig gemanagter Konnektivitätsservice, bei dem sich der Eigner nicht mehr darum kümmern muss, ob die Bandbreite von Starlink, OneWeb, Kuiper oder einer Leitung im Hafen kommt. Das entscheiden wir – mit den modernsten verfügbaren Tools, auf die effizienteste Weise für den Kunden.

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