Ein Boot wie in Bijou

Ein Boot wie in Bijou

Nerea NY24: Ein Boot wie in Bijou

Editorial

15/01/2020 - 11:07

In der Glitzer- und Glamourwelt des Cannes Yachting Festivals stach sie trotz starker Konkurrenz sofort ins Auge. Die Nerea 24 zog mit ihrem glänzenden Auftritt die Augen auf sich. Deshalb waren wir von WAVE neugierig, ob sich der schöne Schein auch auf Schweizer Gewässern bewährt.

Wenn Edeljuwelier Tiffany ein Motorboot entwerfen würde, wie könnte das aussehen? Es wäre auf alle Fälle ein Schmuckstück und vielleicht käme ihm das Luxusboot aus Italien im Look schon sehr nahe. Die Nerea 24 hat viele Väter. Einer davon ist Firmengründer Dario Messina, der bereits in jungen Jahren als unternehmungsfreudiger Macher seine Heimatinsel Sizilien verliess, um bei den besten Bootsbauern wie Dominator, Cayman, Pershingseine Erfahrungen zu sammeln. Dank seines Könnens und seiner Zuverlässigkeit betreuen ihn die Werften mit immer komplexeren Projekten, bis er sich 2008 selbständig macht. Er wird zum Strategic Partner von Pershing und Riva (Guppo Ferretti), von Besenzoni und Custom Line. Seine Firma übersteht auch die Krisenjahre auf dem Nautikmarkt und startet 2010 richtig durch. Mit seinen Erfahrungen aus dem Superyacht-Ambiente reift die Idee eines exklusiven Runabouts und Dario lanciert die Nerea-Linie. Zusammen mit den Designern Alessio Battistini und Davide Bernardini von ideaeITALIAnimmt die Vision Form an und die ausgewiesenen Bootsbauer von Dario realisieren die erste Nerea 24.

Herausgekommen ist eine Art Superyacht-Konzentrat, ein Bonsai-Bijou, das auf vernünftigen Dimensionen so viel Stil, Klasse und Nutzen bietet, wie weitaus grössere Luxusboote. Sie sieht aus, als hätte sich ein Superyacht-Eigner seine höchst persönlichen Vorstellungen eines Tenders realisiert, mit dem man standesgemäss im Yachtclub von Monaco wie in Dubai Marina vorfahren könnte. Die Linien verraten den Italian Style auf den ersten Blick, das gewölbte Teakdeck des Vorschiffs demonstriert Handwerkskunst allererster Güte. Kein Wunder, denn seine Werft, oder besser gesagt, Boots-Boutique, liegt in Fano – dort, wo viele der italienischen Topyachten entstehen und damit auch die spezialisierten Fachkräfte zu finden sind.

Die Nerea 24 als Daycruiser zu bezeichnen, wäre untertrieben. Die clevere Raumaufteilung im Cockpit und der Liegezone wird auch unter Deck fortgesetzt, wohin man durch eine Doppeltüre aus Rauchglas gelangt. Die Kabine sucht ihresgleichen in dieser Bootsdimension. Durch die grossen Seitenfenster und eine Dachluke gelangt viel Licht in die Tageskabine. Die Sitzsofas mit viel Stauraum darunter können für die Nacht in ein Doppelbett umgewandelt werden und Platz für ein Marine-WC ist ebenfalls vorhanden. Ein hochwertiges Video/Audiosystem lässt keine Langeweile aufkommen.

 

Luxus und Leistung

Der luxuriöse Innenausbau und die Ausstattung des Cockpits zeigen die eine Seite der Nerea 24. Alles sehr gepflegt und hochwertig. Wie z.B. die beiden Cockpitsitze mit üppigem und verstellbarem Sitzkomfort. Oder die säulenförmigen Cockpitlampen, die sich bei Nichtgebrauch absenken lassen. Ebenso stylisch kommen die Lautsprecher in Konusform daher. Ganz speziell ist jedoch das Material für das Armaturenbrett, das mit einer steinähnlichen Reliefoberfäche überrascht. Öfter mal etwas Neues, werden sich die Designer gedacht haben und sich für XX entschieden haben. Kaufkräftige Kunden wollen ja auch positiv überrascht werden und sich nicht mit 08/15-Lösungen zufriedengeben. Schöner Pluspunkt: das Oltremateria genannte Material enthält keine Schadstoffe und lässt sich problemlos rezyklieren. Werden die Sitze gedreht, verwandelt sich die Zone mit dem absenkbaren Tisch in eine ideale Dinette. Ein Kühlschrank ist Standard, auf Anfrage wird gerne ein zweiter wie auf unserem Testboot eingebaut. Selbst eine Wetbar mit Waschbecken und Grill (optional) finden sich im Seitenteil, wo weitere Staufächer vorhanden sind.

Wird der Zündschlüssel gedreht, erwacht der Volvo Penta D4 300 zum Leben. Raus aus dem Hafen, weg von der Uferzone - jetzt kann es losgehen. Den Gashebel nach vorne legen und schon schiesst die Nerea 24 davon. Die Beschleunigung drückt den Fahrer sanft in die Sitze. Nach fünf Sekunden zeigt das Touchscreen-Display bereits 20 Knoten und es geht zügig weiter bis zur Cruising-Geschwindigkeit von 25 Knoten. Erstaunlich ist der Moment, wo die beiden seitlichen Heckwülste vom Modus Verdrängerfahrt ins Gleiten „umschalten“. Anstatt dem breiten, stabilen Heck reitet der Runabaout jetzt auf einem V-Profil. Den Gashebel ganz nach vorne drücken und die Aquamatic Duoprop bringen die ganze Power aufs Wasser. Bei 33500 U/min erreichen wir 37.5 Knoten, mit etwas Trimm sogar 39. Von Null auf Maximum in 40 Sekunden – nicht schlecht. Dank dem hydrodynamischen Designs des Rumpfs liegt der Verbrauch bei 1.5 Liter pro Meile, genau so viel wie bei 1500 Touren und einer Geschwindigkeit von rund 8 Knoten. Noch erstaunlicher ist das Kurvenverhalten. Sportlich legt sich die Nerea auf die Seite, dass man auf der der Innenseite die Wasseroberfläche mit der Hand berühren kann. Dabei fährt sie extrem stabil, fast Gokart-mässig, man kann das Steuer sogar bei hoher Geschwindkeit ruhig loslassen. Hier ist also schnelles Fahren ganz tief in der DNA dieser edlen Open verankert.

 

So lässt es sich leben

Wer sich genug ausgepowert hat und einen Rast einlegen möchte, tut dies auf Knopfdruck (die Edelstahltasten auf dem naturbelassenen Teak sehen übrigens unverschämt gut aus). Jetzt öffnet sich der Bugkasten automatisch und ein Chromstahlbügel kippt den Anker über Bord. Kette fieren, fertig. Sollte gerade der Abend dämmern, empfiehlt sich auch das Betätigen der Beleuchtungstasten. Stimmungsvolle Lichter gehen dann im und unter dem Boot an. Selbst die feine Wellenlinie, die den Rumpf optisch in eine obere und untere Bootshälfte trennt, leuchtet. Sollte jedoch die Sonne brennnen, holt der umsichtige Skipper die vier Carbonstützen für das Bimini aus ihrem Kasten. Im Nu ist der Schattenspender aufgestellt. Jetzt noch den Cockpittisch absenken und mit dem massgefertigten Polster belegen – fertig ist die Sonnenfläche. Das Heck ist als dreistufige Treppe über die ganze Breite angelegt, der Weg ins Wasser wird damit so kurz wie bequem.

 

Drei Versionen

Und wo stecken die Minuspunkte? Einer davon erklärt sich mit einem geflügelten Wort von Superyachteignern: Wer nach dem Preis einer Yacht fragt, hat nicht genug Geld, um sie sich leisten zu könnnen. Ganz so extrem ist es bei der Nerea 24 Deluxe nicht, trotzdem hat so viel Raffinesse, Eleganz, Luxus und Performance ihren Preis: EUR 185.000 exkl. MwSt sind fällig, um den traum wahr werden zu lassen. Damit bekommt man aber auch eine massgeschneiderte Mini-Yacht, denn bei Dario Messina gibt es keine Serienfertigung. Kleiner Trost: in Zukunft soll es auch weitere Versionen geben, die etwas günstiger in der Anschaffung sind. Sportlicher, aber mit weniger Optionen, soll die GT mit einem Volvo Penta D4 220 PS aufs Wasser kommen und die Limousine-Version empfiehlt sich als offener Walkarounder für den Tender-Einsatz – für die Superyacht so gut wie für die Villa am See.

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