Die Essenz des Segelns

Die Essenz des Segelns

Esse 330: Die Essenz des Segelns

Editorial

15/01/2020 - 12:15

Der letzte Segeltest der WAVE-Saison fand Ende November am Zürichsee statt. Als krönender Abschluss stand die neue Esse 330 auf dem Programm. Ein kleines Wetterfenster erlaubte einen wunderbar entspannten Probeschlag in einer ganz speziellen Atmosphäre – so speziell wie die Esse 30 selbst.

Man sieht es ihm fast nicht an, doch Pokerface Josef Schuchter ist stolz auf sein neues Baby. Genau 15 Jahre nach der Lancierung schwimmt mit der 333 das sechste Modell der Esse-Linie. Never change a winning team – so blieb auch hier alles bei der bewährten Formel: Idee und Konzept by Josef Schuchter, Design by Umberto Felci. Gleich mit dem ersten Wurf der Esse 850 klatschte die Fachpresse, jubelten die Fachjuries und Segler, die sich sportlich-elegant fortbewegen wollten, hatten endlich ihr Boot gefunden. Das war 2004. “Mit der Esse 330 decken wir eine Nische ab. Es gab bisher auf dem Markt keine modernen, sportlichen Boote mit Daysailer-Linien, auf denen man auch bequem ein Wochenende verbringen kann “, sagt Esseboats-Inhaber Schuchter. Jetzt liegt der Weekender im Yachthafen von Stäfa, ein schöner schneeweisser Kontrast zu den herbstbunten Bäumen am Ufer.

 

Gutes verbessert

Schon beim Vorbereiten zum Auslaufen wird schnell klar, warum sich auch die Neue perfekt fürs Solosegeln eignet. Die effiziente Anordnung des Cockpitlayouts spricht Bände über die Erfahrungen der geistigen Väter. Schoten und Fallen sind dort, wo sie hingehören, im grossen Cockpit bleibt genug Manöverraum auch wenn die Crewstärke auf vier Personen anwachsen sollte.

Der Torqeedo Elektroantrieb mit Saildrive könnte uns lautlos aus dem Hafen bringen, aber unter Segeln geschieht das noch lautloser. Draussen herrscht gerade die Ruhe zwischen zwei Wettersystemen, nur ein leichter Hauch erwartet uns. Zum ausgestellten Carbon-Gross von North Sails gesellt sich jetzt auch noch passende die Selbstwendefock. Die Esse 330 liegt – wie alle ihre Schwestern – fein auf dem Ruder. Das Segelhandling ist einfach, auf einen Achterstag wurde verzichtet. Nur keinen unnötigen Stress!

Der schlanke Rumpf der 10-Meter-Yacht nimmt beim kleinsten Windhauch Fahrt auf und der reicht auch aus, um die 2.3 Tonnen Bootsgewicht in Fahrt zu halten. Das Gros der kilos geht unter die Rubrik “Ballastanteil”, das ergibt eine perfekte Stabilität. So ist Segeln ein Genuss, nur leises Glucksen entlang der Bordwand, die Leichtigkeit des Seins, Dahingleiten mit Aeolus Hilfe.

Die sportliche Seite werden wir heute wohl kaum ausreizen können, aber die Leichtwindeigenschaften sprechen schon mal für sich. Ganz wie ihre Vorgänger trägt auch die neue 330er die sportlichen Gene in sich. Wer sich die Zahlen der Esse-Klasse anschaut, kennt nicht nur die Beliebtheit, sondern auch die Performance, egal in welchem Revier oder bei welchem Wellenbild. Einmal Racer, immer Racer, auch wenn wir heute im Slow-Geniessermodus Richtung Zürich kreuzen.

Gewendet wird mit links und im Handumdrehen, die Selbstwendefock flutscht auf die andere Seite, fertig. Trimm korrigieren, Pinnenstick in die Vertiefung in der Cockpitwand stecken (eine Schuchter-Erfindung) und sich zurücklehnen – auch das ist Esse-Segeln. Noch bevor der Gennaker auf dem ausfahrbaren Bugspriet gesetzt werden kann, schläft der Wind vollständig ein. Schade, diese Erfahrung müssen wir uns fürs nachste Mal aufsparen.

 

Erste Adresse für Qualität

Damit problemloses Segeln möglich wird, verzichtet man am besten auf alle unnnötigen Gimmicks. Dafür sollte alles, was an Bord kommt, von allererster Güte sein. Der kundenorientierte Schuchter setzt auch hier auf Bewährtes. Der Rumpf in Sandwich-Bauweise wird in Glas-Epoxy in Italien gefertigt. Die Werft dort realisiert seit Jahren die Rümpfe und ist sorgfältiges Arbeiten gewöhnt. In Stäfa erfolgt dann der Endausbau. Das Rigg inklusive Baumkicker ist aus Karbon, die Beschläge liefert Harken, das Teakdeck wie bei unserem Testboot ist optional, wie auch die mattscharzen Relingsstützen und der hydraulische Hubkiel, der den Tiefgang von 1.90 auf 1.55 Meter verringert. Spezialist Bartels liefert die Rollfockvorrichtung, die unter Deck eingebaut wird, so stört nichts die elegante Linie.

Gepflegt sind auch die Details des hochwertigen Ausbaus. Schön die Esse-Schriftzüge in den sandgestrahlten Deckluken. Auch die versenkbaren Klampen sind mit dem Logo versehen.

Der längere Kajütaufbau steht ihr bestens, das schafft den nötigen Raum fürs Wochenende. Der Innenraum ist modern-minimalistisch, die langgezogenen Kabinenfenster bringen Licht unter Deck. Auch hier gibt es einige Optionen für den Upgrade der Wohnlichkeit, aber weniger ist oft mehr und echte Segler kommen ja mit wenig aus – Hauptsache, sie kommen auf ihre (nautischen) Kosten. Waschbecken und Marine-WC genügen fürs Weekend, für mehr geht man einfach an Land. Der Innenraum ist mit zwei Sofas und einem Tisch funktional aufgeteilt, dann schliessen sich zwei Sitzbänke mit Stauraum an, bevor es in den Schlafteil der Vorschiffskabine geht. Die indirekte Beleuchtung schafft eine angenehme Stimmung und wertet den Innenraum effektvoll auf.

Unter dem Niedergang befindet sich der Zugang zum Batteriepack des Torqeedo Cruise mit Saildrive, auf Wunsch wird auch ein Dieselaggregat eingebaut. Irgendwie passt der elektrische Antrieb jedoch besser zu dieser modernen Yacht, die man als Neuheit auf der Messe boot in Düsseldorf besichtigen kann. So richtig erleben kann man die Esse 330 jedoch nur auf dem Wasser, wo sie voll in ihrem Element ist.

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