Segeln im Zentrum von Wally: ein Interview mit Vittorio Blengini

19/12/2025 - 08:54 in Editorial by Press Mare

Wally kehrt mit neuer Stärke, einer sich weiterentwickelnden Produktpalette und einer technischen Vision ins Zentrum der Segelwelt zurück, die dem DNA des Brands treu bleibt: radikale Innovation, klare Ästhetik und einfache Bedienbarkeit. In der aktuellen Phase innerhalb der Ferretti Group bestätigt Wally nicht nur die Kontinuität mit seiner Tradition, sondern auch den klaren Willen, noch weiter zu gehen – mit dem entschlossenen Einstieg in den Regattasport durch das Projekt wallyrocket sowie einer erneuerten Präsenz im High-End-Custom-Segelyachtbau.

Darüber haben wir mit Vittorio Blengini, Sales Director Superyacht Division & Custom Yacht der Ferretti Group, gesprochen – Segler, noch bevor er Manager wurde –, um zu verstehen, wie sich Wally heute zwischen Design, Technologie und neuen Generationen von Eignern positioniert.

PressMare: Vittorio Blengini, wie verlief Ihre Ausbildung und wie ist Ihre Beziehung zur Nautik entstanden?

Vittorio Blengini: Ich bin in Turin geboren, bin aber als Jugendlicher nach Viareggio gezogen, und dort entstand die Liebe zum Meer. Mit 14 Jahren begann ich zu segeln, nahm an Regatten in der 470er-Klasse teil und besuchte anschließend das Centro Velico Caprera. Dadurch lernte ich auch größere Yachten kennen und segeln. Ich begann mein Studium der Schiffbauingenieurwissenschaften in La Spezia und trat dank eines Praktikums – noch während des Studiums – mit 22 Jahren als Projektmanager in die damals einzige italienische Werft ein, die Segelsuperyachten baute. Dort wurde ich Koordinator für die seglerische Ausrüstung an Bord, vom Maststellen über die Probefahrten bis hin zum Commissioning, also der vollständigen Inbetriebnahme. Anschließend begann ich, auf Superyachten zu segeln und an Regatten bei spezialisierten Events wie der St. Barth’s Bucket teilzunehmen. Diese erste Phase dauerte insgesamt 13 Jahre, davon vier als Project Manager und die folgenden als Sales Manager.

Danach folgte ein Wechsel zu Riva, anschließend eine dreieinhalbjährige Tätigkeit als Commercial Director bei einer anderen bedeutenden Superyachtwerft, bevor ich vor etwa einem Jahr in der genannten Funktion zur Ferretti Group zurückkehrte.

PM - Es scheint, dass hinter Ihrem Werdegang nicht nur ein beruflicher Weg, sondern auch eine sehr starke persönliche Leidenschaft steht.

VB - Absolut. Heute bleibt nur wenig Zeit zum Segeln, aber die Seele ist die eines echten Seglers geblieben. Segeln ist für mich zunächst eine Leidenschaft und erst danach ein Beruf.

wallywind110 ph. Davide De Martis

PM - Wally ist die einzige Segelmarke innerhalb der Ferretti Group. Welchen Mehrwert bringt sie in den Konzern ein und wie positioniert sie sich im Vergleich zu den anderen Marken?

VB - Wally ist innerhalb der Gruppe eine eigenständige Marke mit einer dedizierten Business Unit, so wie auch die anderen Marken. Das Segeln bleibt die Seele von Wally, eine starke und klar erkennbare Wurzel. Heute hat Wally zwei Hauptseelen: Tender, Power-Yachten und die WHY-Modelle – die den Markttrends folgen und Benutzerfreundlichkeit sowie Vielseitigkeit in den Vordergrund stellen – sowie das reine Segeln, das sich weiterhin an echte Enthusiasten richtet, insbesondere im Full-Custom- und Racing-Bereich, wo wir unsere Marktposition halten wollen. In der Vergangenheit hat Wally einige Serien entwickelt, jedoch stets mit einem stark eigentümerorientierten Ansatz: Jede Yacht war anders und Ausdruck einer individuellen Vision. Das heutige Wally folgt denselben Leitlinien, interpretiert sie jedoch mit zeitgemäßen Technologien neu.

In jüngerer Zeit haben wir die beiden Wege klar getrennt: auf der einen Seite Performance-Cruiser, auf der anderen das reine Racing-Segment, in dem wir mit wallyrocket etwas geschaffen haben, das bislang fehlte. Die frühere Wally Class – insbesondere die WallyCento – war zwar sehr erfolgreich im Regattasport, im Grunde jedoch hybride Yachten, die für ein 360°-Nutzungsspektrum konzipiert waren.

PM - Der Claim von Wally lautet „20 years ahead“. Welche Entwicklungsrichtungen verfolgen Sie in den kommenden Jahren?

VB - Wir investieren weiterhin konsequent in Forschung und Entwicklung, mit einem stetigen Blick auf die heute verfügbaren Technologien und deren Anwendung im Segelyachtbau. Das Ziel bleibt unverändert: Easy Sailing. Das Erlebnis an Bord soll so benutzerfreundlich wie möglich sein, insbesondere für einen Eigner, der selbst am Steuer stehen möchte. Deshalb arbeiten wir intensiv an der Handhabung der Manöver, an der Sicherheit der Gäste – ein zentrales Thema bei der Gestaltung des Decklayouts – sowie an allen Aspekten rund um Hydraulik und Segelsysteme, in Zusammenarbeit mit den besten Zulieferern. Hinzu kommt das Thema Nachhaltigkeit: Segeln ist die natürlichste Form von „Green Boating“. Die Elektrifizierung der Yachten ermöglicht es uns, den Einsatz von Verbrennungsmotoren immer weiter zu reduzieren und eine Navigation anzustreben, die wirklich Segeln ist und nicht lediglich „sailing assisted“.

wallyrocket71

PM - Beobachten Sie in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung von Wingsails, also starren Flügelsegeln?

VB - Wir evaluieren sie durchaus, auch wenn sie sich ein Stück weit vom klassischen Segelkonzept entfernen. Die zentrale Frage ist das Handling: Es handelt sich um komplexe aerodynamische Profile, die auch dann Auftrieb erzeugen, wenn man ihn nicht möchte. Das System muss für den Eigner beherrschbar bleiben, ohne auf ein ständig präsentes professionelles Team angewiesen zu sein.

PM - Prüfen Sie auch foilunterstützte Rumpflösungen?

VB - Diese untersuchen wir insbesondere für die wallyrocket-Baureihe, wo es naheliegender ist, solche Lösungen zu erforschen. Nicht jedoch im Cruiser-Segment, das auf den „pleasure of sailing“ und nicht auf den „pleasure of flying“ ausgerichtet ist. Natürlich gibt es Systeme wie DSS (Dynamic Stability System) und andere, die wir aufmerksam analysieren. Wir setzen sie jedoch nur dann ein, wenn der Nutzen real ist und zur vorgesehenen Nutzung der Yacht passt – Cruising versus Racing.

PM - Gibt es auf der Seite des ästhetischen Designs neue Entwicklungen?

VB - Ja, da ist etwas in Arbeit. Wally bleibt stark auf Full Custom ausgerichtet, sodass jedes Projekt aus dem Dialog mit dem Eigner entsteht. Auf Basis des Erfolgs der wallywind110 arbeiten wir jedoch an einer Auswahl von Produkten – nicht an einer klassischen Serie –, die unsere zeitgemäße Interpretation der stilistischen Wally-Codes darstellen. Wir untersuchen sowohl größere als auch kleinere Einheiten als 110 Fuß, um das Angebot zu erweitern und unterschiedliche Eigner anzusprechen.

PM - Apropos Eigner: Verändern sich die Anforderungen der Wally-Eigner, oder kommen sie zu Ihnen, um sich „vorausdenken“ zu lassen?

VB - Viele werden vom Design geleitet. Wally ist so entstanden, und diese Seele ist geblieben. Die Reinheit der Linien, die aufgeräumten Decks, innovative, aber niemals invasive Funktionen: Alles muss funktional sein, ohne die Ästhetik zu kompromittieren. Die Segelbedienung muss einfach sein, mit unter Deck geführten und servoassistierten Manövern, sodass alles von der Steuermannposition aus per Knopfdruck kontrolliert werden kann.

wallywind110 ph. Gilles Martin-Raget

PM - Kommen wir zur wallywind110: Sie haben bereits zwei Einheiten ausgeliefert. Welches Maß an Individualisierung ist vorgesehen?

VB - Die wallywind110 bietet große Freiheit: Das Interieur-Layout ist vollständig individualisierbar, ebenso das Deck, das wir in drei Konfigurationen anbieten. Hinzu kommt die Auswahl der Komponenten: Ein Eigner kann sich für ein Lightweight-Interieur in Kombination mit einer leichteren elektrischen Anlage entscheiden oder den Komfort priorisieren – mit mehr Kabinen und der Eignersuite entweder im Bug oder im Heck.

PM - Können Sie uns einen Ausblick auf kommende Segelmodelle geben?

VB - Wir arbeiten – auch unter Einbindung eines potenziellen Kunden – an einer 80-Fuß-Yacht. Ich würde sie als „sehr smart“ bezeichnen: 100 % Wally, eine Rückkehr zum Heritage mit Blick in die Zukunft. Die 80-Fuß-Yachten der Vergangenheit haben Geschichte geschrieben, und viele Anklänge daran sind bewusst gewählt. Eine schlanke, elegante und zugleich funktionale Yacht, ein reiner Cruiser. Sie könnte zu einem Referenzpunkt für zukünftige Wally-Segelyachten werden.

wallywind110 ph. Davide De Martis

PM - Gibt es ein typisches Profil des Wally-Eigners?

VB - Ich würde sie als Liebhaber des Schönen bezeichnen. Eine Wally muss in erster Linie schön sein. Klare Linien, schon von weitem erkennbar – dieselben Linien, die mich schon als Jugendlicher fasziniert haben. Das ist vergleichbar mit anderen großen Marken: Man sieht sie und weiß sofort, was es ist.

PM - Viele Wally-Eigner nehmen an Regatten teil. Gibt es neben der wallyrocket-Linie spezielle Programme, etwa die Wally Class?

VB - Die Wally Class lebt durch die teilnehmenden Eigner. Sie hatte eine Phase großen Erfolgs mit einer sehr aktiven Flotte. Wir sind immer bei den Events präsent, bei denen unsere Eigner regattieren – das gehört zu unserer DNA. Um eine Wally Class neu aufzubauen, braucht es engagierte Eigner. Heute erlebt die Klasse dank neuer, leidenschaftlicher Eigner, die sich zu einigen der historischen gesellen, eine Renaissance. Wir ermutigen sie zur Teilnahme, denn es ist eine Gelegenheit, sich zu treffen, auszutauschen und zu sehen, wie sich die Yachten zwischen den Bojen verhalten.

wallyrocket51

PM - Mit der wallyrocket51 und der wallyrocket71 sind Sie in das reine Racing eingestiegen, ein neues Terrain für Wally. Wie entstand diese Entwicklung?

VB - Alles begann mit der wallyrocket51. Die Marke wollte in einen Racing-Bereich einsteigen, in dem viele unserer Eigner bereits aktiv waren – man denke nur an die WallyCento, aber nicht ausschließlich. Wir haben einen interessanten Trend beobachtet: Eigner am Steuer, nicht als Zuschauer. So entstand die wallyrocket51 als Racer für den Eigner. Reduzierte Crew, höchste Qualität, leichte Materialien, optimierte Manöver, die Möglichkeit sowohl von Coffee Grinders als auch motorisierten Optionen. Die Yacht positioniert sich in einem hochkompetitiven Segment, jedoch mit sehr hohen Standards und einer klaren Idee: den Eigner in den Mittelpunkt zu stellen – oder besser gesagt: ans Ruder.

wallyrocket51

PM - Die wallyrocket71 ist bislang ein Einzelstück, aber bereits Weltmeister in der Maxi-Grand-Prix-Klasse. Welche Entwicklungen sehen Sie für dieses Projekt und parallel für die wallyrocket51-Klasse, für die über einen eigenen Circuit gesprochen wird?

VB - Die wallyrocket51 ist der Ausgangspunkt unserer Arbeit, die Yacht, auf der wir – das bestätige ich – die Idee eines dedizierten Circuits aufbauen. Die wallyrocket71 entstand hingegen aus der konkreten Anfrage eines Eigners, der einen Racer für die Maxi-Grand-Prix-Klasse suchte, wo das technische und sportliche Niveau sehr hoch ist. Sie wurde als große Schwester der 51-Fuß-Yacht in die wallyrocket-Familie aufgenommen, mit einer offeneren technischen Entwicklungsperspektive.

PM - Die wallyrocket51 ist als One Design konzipiert, die wallyrocket71 als Grand Prix. Planen Sie weitere Einheiten?

VB - Die 71-Fuß-Yacht bleibt ein „on demand“-Projekt. Wir beabsichtigen nicht, sie in Serie zu bauen, sie ist jedoch ideal für einen erfahrenen Eigner, der mit einem bereits erprobten und nachweislich erfolgreichen Projekt in die Maxi-Grand-Prix-Klasse einsteigen möchte.

PM - Wie viele wallyrocket51 befinden sich derzeit in Produktion?

VB - Wir sind aktuell bei der fünften Einheit im Bau. Die vierte wird in Kürze zu Wasser gelassen, die fünfte befindet sich in der Laminierung.

PM - Wir haben sowohl die 71-Fuß-Yacht als auch die wallyrocket51 bei den Les Voiles de Saint-Tropez regattieren sehen. Sammeln Sie dort Daten und Feedback für das finale Regelwerk?

VB - Genau. Wir haben viel Feedback von Eignern und Shore-Teams gesammelt, die Yachten auf dem Wasser beobachtet und uns – wie ich gerne sage – „am Kai“ ausgetauscht. Jeder bringt seine eigene Sichtweise ein, deshalb nehmen wir uns die nötige Zeit, um zu einem soliden Regelwerk zu gelangen.

wallyrocket71

PM - Sind Regattaerfolge ein Treiber für den Verkauf? Können sie auch den Motorbereich der Marke beeinflussen?

VB - Ich glaube nicht, dass das Racing direkt den Verkauf von Motoryachten beeinflusst. Ich sehe jedoch ein starkes umgekehrtes Potenzial: Motoryacht-Eigner, die über die wallyrocket51 zur Segelyacht finden – eine reine Regattayacht. Die Kombination aus Motoryacht und Regattasegelyacht funktioniert sehr gut. Es ist eine andere Art, das Meer zu erleben, ohne die Verpflichtungen und Betriebskosten eines Segelsuperyachts.

PM - Kann die ästhetische Wirkung der Wally-Rennboote auch Interesse an den anderen Modellen der Range wecken?

VB - Absolut. Bei den Events, bei denen wir als Sponsor auftreten, präsentieren wir auch wallypower, wallytender und wallywhy. Es ist eine Ökosystem-Strategie: die gesamte Familie zu zeigen und zu vermitteln, dass Wally weiterhin stark im Segelbereich engagiert ist.

wallyrocket71

PM - Kommen wir zum Design: Wie ist der Prozess zwischen dem technischen Büro der Ferretti Group und externen Designstudios organisiert?

VB - Für Wally arbeiten wir mit einigen der besten Studios zusammen. Für die wallywind-Reihe setzen wir auf judel/vrolijk & co für die Schiffsarchitektur sowie auf Santa Maria Magnolfi für Innen- und Außendesign. Bei den wallyrocket-Modellen liegt die Hauptkonstruktion bei Botin Partners, insbesondere bei dem Spezialisten Adolfo Carrau, unterstützt durch die Beratung unbestrittener Champions wie Guillermo Parada und Vasco Vascotto. Santa Maria Magnolfi hat jene ästhetischen und formalen Details beigesteuert, die diese reinen Racer sofort als Teil der Wally-Familie erkennbar machen.

PM - Wo werden die Wally-Segelyachten heute gebaut?

VB - Die wallyrocket51 werden extern in Zusammenarbeit mit Performance Boats gebaut, während die wallyrocket71 von King Marine gefertigt wurde. Die Produktion der übrigen Segelyachten erfolgt – und wird auch künftig erfolgen – am Wally-Standort in Ravenna, der über ideale Flächen und Infrastrukturen verfügt.

wallyrocket51
 

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