Cantiere delle Marche, 2010 in Ancona gegründet, hat seine Identität um den Bau von Explorer-Yachten aus Stahl und Aluminium aufgebaut und ist heute weltweiter Maßstab in diesem Segment. Allein im Jahr 2024 wurden zwölf Yachten verkauft – ein außergewöhnlicher Erfolg.
Nach dem kürzlich bekanntgegebenen Einstieg von CLP2, das 72 % der Anteile übernommen hat (teilweise vom bisherigen Mehrheitsgesellschafter Tom Schröder, Inhaber des FIL Bros Family Office, der 20 % behält), bestätigt das Unternehmen nun eine stabile Governance, einen soliden Auftragsbestand und eine Strategie, die auf Qualität, Prozesskontrolle und Wertepositionierung basiert. Darüber haben wir mit Vasco Buonpensiere, CEO von Cantiere delle Marche (CDM), gesprochen.
PressMare – Vasco Buonpensiere, beginnen wir mit den jüngsten Bootsmessen in Cannes und Monaco – zwei Schlüsselmomenten des Jahres für den Großyachtsektor. Welche Eindrücke haben Sie gewonnen, und welche Bedeutung hatten diese Veranstaltungen für Cantiere delle Marche?
Vasco Buonpensiere – Für uns waren Cannes und Monaco weit mehr als zwei Messen. In Cannes haben wir konkrete Verkaufsergebnisse erzielt und unsere starke Marktposition bestätigt – ebenso die wachsende Anerkennung der CDM-Philosophie, Explorer-Yachten aus Stahl und Aluminium von absoluter Qualität zu bauen, bei denen technischer Inhalt und Solidität mehr zählen als die Inszenierung. Monaco hingegen war ein Wendepunkt. Obwohl wir schon viele Jahre auf der MYS ausstellen, fühlte sich diese Ausgabe an wie ein offizieller Eintritt in die Weltelite des Yachtbaus.
Das Umfeld, das Niveau der Besucher und die Qualität der Kontakte auf der Monaco Yacht Show 2025 gaben uns ein klares Bild davon, wer wir heute sind. Der Satz, den ich am häufigsten hörte – von Kunden wie auch von Fachleuten – war: „Ihr seid ein kleines Feadship, ein kleines Lürssen.“
Nicht in Bezug auf die Größe, sondern auf den Ansatz, die Konsequenz und die obsessive Liebe zum Detail. Solche Anerkennung, aus dem Mund von Menschen, die sich unter den Top-Playern der Branche bewegen, hat einen hohen Wert.
PM – Nach einem solchen Moment der Anerkennung besteht immer die Gefahr, sich von der Euphorie mitreißen zu lassen. Wie gehen Sie damit um?
VB – In unserem Beruf hält die Euphorie nie lange an.
Wer nur Yachten verkauft – der Broker – kann den Moment genießen, aber wer sie baut, weiß, dass jeder unterschriebene Vertrag drei Jahre intensiver Arbeit bedeutet, in denen man konstante Qualität, Termintreue und technische Zuverlässigkeit garantieren muss. Im Jahr 2024 haben wir zwölf Verträge abgeschlossen, ein außergewöhnliches Ergebnis für unsere Größe. Aber die eigentliche Herausforderung liegt nicht im Wachstum der Zahlen, sondern darin, das Gleichgewicht, die Klarheit und die Fähigkeit zu bewahren, eine perfekte Yacht nach der anderen zu liefern – ohne Kompromisse.
PM – Der Einstieg von CLP2, der Holding von Giovanni Cagnoli und der Familie Loro Piana (über Carisma), markiert eine bedeutende Entwicklung in Ihrer Unternehmensführung. Welchen Wert hat dieser Schritt?
VB – Der Wert ist strategisch und kulturell, nicht finanziell. CDM hatte keinen Kapitalbedarf: unsere Finanzen sind solide, der Auftragsbestand sichert eine langfristige Perspektive. Der Einstieg der neuen Gesellschafter diente dazu, eine gemeinsame Vision zu festigen. Es handelt sich um Unternehmer, die unsere Vorstellung von Luxus teilen – diskret, authentisch, nie laut. Ein natürliches Zusammentreffen von Welten, die sich gegenseitig erkennen. In Kürze wird der Verwaltungsrat neu zusammengesetzt, mit Vertretern von CLP2 und einem Vertreter von FIL Bros, dem bisherigen Mehrheitsaktionär.
Die operative Führung bleibt unverändert: Ennio Cecchini als Präsident, Gianluca Ciniero als COO, Gianfranco Caltabiano als CFO und ich selbst als CEO. Diese Kontinuität war entscheidend. Parallel dazu führen wir eine neue Abteilung für Prozessindustrialisierung ein, um die Produktion effizienter zu gestalten, ohne in Serienfertigung abzugleiten. Man sollte das als Prozessoptimierung verstehen: In unserer Werft ist nichts industriell. Unser DNA bleibt das maßgeschneiderte Handwerk auf höchstem Niveau – Industrialisierung dient der Unterstützung, nicht der Standardisierung.
PM – Das Ziel ist also nicht, die Stückzahlen zu erhöhen?
VB – Genau. Unser Wachstum beruht auf Wert, nicht auf Menge. Wir könnten vielleicht eine Yacht mehr pro Jahr bauen, aber nicht mehr. Die Priorität liegt darin, Margen und Rentabilität zu verbessern und unsere Reputation weiter zu festigen, die uns heute als weltweiten Referenzpunkt im Explorer-Segment positioniert. Unser Ziel ist es, besser zu werden – nicht größer.
PM – CDM gilt inzwischen als Beispiel für das sogenannte „Quiet Luxury“, ein Begriff, der oft missbraucht wird. Was bedeutet er für Sie konkret?
VB – Quiet Luxury ist eine feine Sprache, ein Luxus, der nur für jene erkennbar ist, die seine Codes kennen. Es geht nicht um Erscheinung, sondern um Substanz. In unseren Explorern ist Eleganz nie demonstrativ: sie zeigt sich in der Kohärenz der Materialien, in der handwerklichen Qualität, in der technischen Zuverlässigkeit und im leisen Komfort während der Fahrt. Ein Luxus, der nicht auffallen will, aber von Kennern sofort erkannt wird. Auch das Design folgt dieser Philosophie: keine Übertreibungen, keine Apartments, die sich als Yachträume verkleiden, sondern Räume, die für das Meer gedacht sind – funktional, raffiniert und voller Details, die Können und Kultur ausdrücken. Das ist dieselbe Sprache, die unsere Partner und Kunden sprechen – Menschen, die nichts beweisen müssen und keinen Showeffekt suchen.
PM – Auch die Produkte entwickeln sich weiter: Wellness an Bord, größere Tender, Yachten für alle Jahreszeiten.
VB – Ganz genau. Die Anforderungen verändern sich – und wir mit ihnen. Neue Eigner wünschen sich Wellnessbereiche – Fitnessräume, Yoga-Zonen, Entspannungsräume – und immer größere Tender, oft echte Chase Boats über 40 Fuß, mit eigenem Personal, die den Explorer überallhin begleiten können. Das hat die Weiterentwicklung von Modellen wie dem Flexplorer vorangetrieben, der über ein großes Achterdeck und Platz für umfangreiche Toys und Tender verfügt – typisch für viel größere Yachten.
Wir arbeiten außerdem an Lösungen, um die Yachten ganzjährig nutzbar zu machen: beheizte Außenflächen, Strahlungsplatten in den Laufwegen, modulare Abschlüsse. Der Explorer ist heute eine Lebensplattform, keine reine Kreuzeryacht.
PM – In welchen Märkten verkaufen Sie derzeit am meisten, und wie verändert sich die Nachfrage nach Explorer-Yachten?
VB – Die USA, das Vereinigte Königreich und Mittelamerika, insbesondere Mexiko, sind derzeit unsere dynamischsten Märkte. In diesen Regionen hat sich eine Explorer-Kultur etabliert – Yachten als Symbole für Autonomie und Substanz, Ausdruck eines reifen, erfahrungsorientierten Luxus, fern jeder Selbstdarstellung.
Der Nahe Osten entwickelt sich als Zielgebiet, bevorzugt jedoch noch immer Yachten mit aggressiverer oder spektakulärerer Ästhetik – das ist nicht unser Kern. Im Fernen Osten ist der Markt für Metall-Explorer noch klein; er braucht ein Maß an Reife, das sich erst langsam entwickelt. Weltweit beobachten wir eine wachsende Nachfrage nach dedizierten Chase Boats, Wellness-Decks und vierjahreszeitlicher Modularität – mit beheizten Decks, flexiblen Abschlüssen und verlängerter Nutzbarkeit auch in kälteren Klimazonen.
Das zeigt klar, dass sich die Langstrecken-Kreuzfahrt zu einer immer stärker wohnlichen Erfahrung entwickelt, bei der das Meer nicht nur durchquert, sondern bewohnt wird.
Cantiere delle Marche RJ 155
PM – Beim Besuch der RJ 155, der beeindruckenden 155-Fuß-Yacht, die Sie auf der Monaco Yacht Show 2025 gezeigt haben – einer der schönsten und bestgebauten Yachten dieser Messe – sprachen Sie von „intelligenter Strenge“ im Projektmanagement. Was meinen Sie damit?
VB – Es geht um Balance. Italienische Werften stehen für Flexibilität, doch beim Bau von Superyachten braucht man Methodik. Wir erfüllen die Wünsche der Eigner, aber nach klaren Regeln: Jede Änderung wird auf Zeit, Kosten und technische Auswirkungen geprüft. Es gibt keine Abkürzungen, aber es gibt Zuhören und Lösungsfähigkeit.
Diese strukturierte Flexibilität unterscheidet uns von den oft rigideren nordeuropäischen Werften ebenso wie von jenen, die alles versprechen, ohne die Folgen zu bedenken.
PM – Beim Thema Nachhaltigkeit hat CDM immer einen pragmatischen Ansatz verfolgt, weit entfernt vom Greenwashing.
VB – Ja, Nachhaltigkeit ist für uns kein Schlagwort, sondern eine Summe konkreter Entscheidungen.
Wir haben Yachten gebaut mit fortschrittlichen Energiemanagementsystemen an Bord, Abschirmungen elektromagnetischer Felder und rückverfolgbaren Materialien mit Etiketten, die den Anteil an recyceltem und recycelbarem Material ausweisen. Hybridantriebe sind ein möglicher, aber teurer Weg.
Die unmittelbarste Lösung ist der Einsatz alternativer Kraftstoffe wie HVO, die bereits verfügbar und mit heutigen Motoren und Generatoren kompatibel sind. Das ist eine reale Option – doch was fehlt, ist ein Verteilungsnetz, das diese Kraftstoffe auch der Freizeit- und Superyachtbranche zugänglich macht. An Autotankstellen findet man Biokraftstoffe, aber eine Yacht damit zu betanken, bleibt schwierig.
PM – Cantiere delle Marche ist in den Marken entstanden, einem starken, aber weniger sichtbaren Industriestandort. Wie wichtig ist die lokale Zulieferkette?
VB – Sie ist äußerst wichtig. Hier existiert ein hochqualifiziertes industrielles und handwerkliches Netzwerk, das einen echten Wettbewerbsvorteil darstellt. Wir arbeiten mit lokalen Unternehmen, die auch internationale Werften beliefern, und es gibt einen stolzen Anspruch, Dinge gut zu machen. Die regionale Verbundorganisation funktioniert, vernetzt Unternehmen, Institutionen und Universitäten und hilft, eine gemeinsame Identität zu stärken. Ich sage oft: Wer hier aufwächst, ist wie ein Zweitgeborener – man muss sich jeden Schritt durch Qualität verdienen. Ein anderer, aber authentischerer Weg, sich zu behaupten.
PM – Zum Abschluss: Wie sieht die Zukunft von CDM im Jahr 2030 aus?
VB – Im selben Segment, aber auf einem noch höheren Niveau. Unsere Nische sind hochwertige Explorer-Yachten, und wir haben nicht vor, sie zu verlassen. Unser Auftragsbestand deckt derzeit vier Jahre Produktion ab – mit Auslieferungen bis 2029 und einem neu unterzeichneten 50-Meter-/499-GT-Projekt für einen bestehenden Kunden.
Das Wachstum wird qualitativ, nicht quantitativ sein: solidere Prozesse, vollständige Kontrolle, ausgewogenere Margen. Das Ziel ist, bessere Yachten zu bauen – nicht mehr, und dabei die Qualitätskultur zu bewahren, die uns hierhergeführt hat.