In der Welt der Superyachten bedeutet Luxus nicht nur exklusive Ästhetik, edle Materialien, raffinierte Innenarchitektur oder teure Ausstattung. Es gibt eine weniger sichtbare, aber ebenso entscheidende Dimension des Luxus: die ingenieurtechnische und konstruktive Kompetenz, die den Bau jeder Yacht ermöglicht, insbesondere wenn ein hoher Grad an Individualisierung gefordert ist.
Hinter der scheinbaren Einfachheit eines Beach Clubs oder einer seitlich ausklappbaren Terrasse, eines Pools im Deck oder eines Krans, der Tender und Jetskis im Yacht-Garage bewegt, verbergen sich komplexe Ingenieurlösungen, Ergebnis von spezialisiertem Know-how und maßgeschneiderter Entwicklung.
Wahre Exklusivität für einen Eigner bedeutet daher auch, sich an eine Werft zu wenden, in der solche technischen Kompetenzen zum DNA gehören—eine Werft, die ein Designniveau bietet, das in Ästhetik, Leistung und Komfort überzeugt und sich vollständig dem Lebensstil des Eigners anpasst.
Die Ferretti Group Superyacht Yard in Ancona zählt weltweit zu den bestausgestatteten Werften. Die technische Infrastruktur wird von einem internen Büro mit etwa 30 Mitarbeitern getragen, Ingenieurteams, die in acht Plattformen unterteilt sind und alle Phasen des Designs abdecken: von den Grundlagen (Leistung, Stabilität usw.) bis zu den Details (Systeme, Ausstattung, Zertifizierungen).
Ein Besuch, das Beobachten der Produktion und das Betreten von im Bau befindlichen Superyachten ermöglicht es, die dort gebündelte Expertise hautnah zu erleben. Neben der gesamten Custom Line-Composite-Baureihe—Planing Line (Gleiter), vier Modelle von 106 bis 140 Fuß; Navetta Line (Verdränger), vier Modelle von 30 bis 42 Metern—werden derzeit gleichzeitig neun Metallyachten gebaut: fünf Riva in Stahl, eine Pershing 140, eine Custom Line 50 sowie die CRN-Projekte 147, 146, 145 und 144.
Besondere Herausforderungen entstehen nicht nur durch Größe oder Baumaterialien—Stahl und/oder Aluminium—sondern auch durch den hohen Grad an Individualisierung, den die Eigner verlangen. Selbst semi-serielle Modelle, die von kürzeren Bauzeiten im Vergleich zu Full-Custom-Projekten profitieren, werden praktisch einzigartig. Innenlayouts, Systeme, Oberflächenmaterialien und selbst Entertainment- sowie Konnektivitätslösungen werden an die spezifischen Wünsche angepasst; unverändert bleiben nur Rumpf und Motoren.
Während unseres Besuchs in Ancona lag unser Fokus jedoch auf der Custom Line 50, dem zweiten Exemplar nach dem Debüt vor genau einem Jahr auf dem Monaco Yacht Show. Es handelt sich um die erste Metallyacht—Rumpf und Aufbauten in Aluminium—unter der Marke Custom Line, zugleich neue Flaggschiff. Die von uns gesehene Einheit wird im Sommer 2026 zu Wasser gelassen.
Der Bau einer 50-Meter-Yacht beginnt selbstverständlich mit der Projektierung, die mehrere technische Aspekte berücksichtigt. Auch wenn Flächen und Volumen an eine große Villa am Meer erinnern, bleibt der Ausgangspunkt die Schiffsarchitektur. Der Rumpf der Custom Line 50 entstand nach umfangreichen CFD-Simulationen (Computational Fluid Dynamics). Untersucht wurden Bulbform und Wasserlinien, um Geschwindigkeit, Seegangsverhalten, Stabilität, Verbrauch und Komfort zu optimieren. Getauchte Anhänge wie Ruder, Propeller und Wellenanlagen können Turbulenzen und Vibrationen erzeugen. Daher wurde CFD auf jedes einzelne unter Wasser liegende Detail angewendet, einschließlich der Abgasführung im Maschinenraum.
Die Custom Line 50 verfügt über SCR-Systeme (Selective Catalytic Reduction) zur Reduzierung von Stickoxiden (NOx). Die Integration erforderte eine detaillierte Untersuchung von Wärme- und Belüftungsmanagement. Urea wird in die heißen Abgase eingespritzt, wo sie mit NOx reagiert und diese in Stickstoff und Wasserdampf umwandelt. Damit erfüllt die Yacht die IMO Tier III-Normen und ist berechtigt, in ECAs (Emission Control Areas) zu fahren.
Zur Steigerung des Komforts setzt die Yacht außerdem ein Unterwasserauspuffsystem ein. CFD-Analysen formten die Schutzhaube so, dass ein natürlicher Unterdruck entsteht, der die Abgasabfuhr begünstigt, ohne die Motorfunktion zu beeinträchtigen, und gleichzeitig Rauch und Gerüche reduziert.
Die Yacht misst 49,9 m bei einer Breite von 9,60 m. Trotz weniger als 500 GT verfügt sie über einen voluminösen „Slug Hull“, sonst typisch für größere Schiffe, kombiniert mit einem klassischen Bug mit Wulst. Dies reduziert Wellenwiderstand, verbessert den Wirkungsgrad, vergrößert die Reichweite, senkt den Verbrauch und erhöht die Stabilität bei Seegang.
Zur Stabilisierung wurden nach eingehenden Tests elektrische Stabilisierungsflossen installiert, in doppelter Ausführung. Kürzere Flossen sorgen für schnellere Reaktion, sie sind leiser und platzsparender als hydraulische Systeme—ein Vorteil in der Nähe der Gästekabinen—und ermöglichen zudem einen geringen Tiefgang von nur 2,2 m.
Der Einsatz von Aluminium steigert Leistung und Komfort. Neben Gewichtsreduktion und Reichweite bis 4.500 Seemeilen—ausreichend für eine Nonstop-Passage Ancona–Miami—bietet das Metall bessere Schalldämmung als GFK, unterstützt durch modernste akustische und feuerhemmende Paneele.
Aluminium wird sorgfältig behandelt, innen wie außen, mit Korrosionsschutzzyklen und Isolationsmaterialien zwischen ungleichen Metallen zur Vermeidung galvanischer Korrosion. Dank hochpräzisem Zuschnitt und fortschrittlicher Schweißtechnik wird der Spachtelbedarf minimiert. 3D-Scanning sichert die perfekte Passgenauigkeit von Platten und Öffnungen. Weniger Spachtel bedeutet Gewichtsersparnis und weniger Arbeitsaufwand.
Lackparameter—Glanz, DOI (Distinctness of Image), Orange Peel und Härte—wurden mit zertifizierten Geräten kontinuierlich überwacht, um die vertraglich festgelegten Spezifikationen zu erfüllen. Gleiches gilt bei den anschließenden Probefahrten, wo Gewichtsbilanz, Stabilität und Leistung überprüft werden.
Auch die Brücke wurde mit besonderem Augenmerk auf Benutzerfreundlichkeit gestaltet. Neben modernen digitalen Systemen sind klassische Steuerungen vorgesehen, wie sie viele Kapitäne mit kommerziellem Hintergrund bevorzugen.
Ein weiterer Fokus liegt auf Konnektivität. Neben klassischen Vsat/TvSat-Antennen in Radomen wird die Yacht mit Breitband-Satellitensystemen wie Starlink und OneWeb ausgestattet. Cyber-Sicherheit wird durch leistungsstarke Firewalls gewährleistet, mit Option auf Upgrades.
Stabile Netzwerke sind Voraussetzung für Entertainment- und Smart-Home-Systeme an Bord, die hier von VideoWorks geliefert werden. Diese ermöglichen integrierte Steuerung von Licht, Szenarien, Audio und Video über Mini-iPads. Für die Installation eines Bang & Olufsen Harmony TV auf der Oberdeck-Brücke wurde die Ausstattung präzise angepasst, einschließlich Bodenumbau zur Kabelführung. Projektoren und versteckte TVs ergänzen das System.
Die Crewbereiche bieten vier Doppelkabinen und eine Kapitänskabine für insgesamt neun Personen, ausgelegt nach REG-Standards (Red Ensign Group), die besonders strenge Anforderungen an Sicherheit, Bauweise und Habitabilität stellen, häufig auch bei Charteryachten.
Der Garagebereich nutzt den verfügbaren Raum optimal, bei unter 500 GT. Achtern befindet sich eine Garage mit Aluminiumschott für einen Williams 625 Tender, bewegt von einem Kran; im vorderen Hangar sind ein 4,20 m Rescue Tender und zwei Jetskis untergebracht.
Nach unserer Besichtigung in Ancona, begleitet von Projektleiter und Ingenieuren der Ferretti Group Superyacht Yard, wurde klar: Diese 50-Meter-Yacht ist ein Referenzprojekt moderner Luxusyacht-Konstruktion. Sie vereint modernste Schiffbau-Engineering mit maßgeschneiderter Detailarbeit und verwandelt jede Seemeile in ein Erlebnis aus Komfort, Effizienz und Sicherheit.
CUSTOM LINE 50
Werft: Ferretti Group Superyacht Yard – Rumpf/Aufbau: Aluminium – Rumpftyp: Verdränger mit Wulstbug
Länge über alles: 49,94 m – Max. Breite: 9,60 m – Tiefgang halblast: 2,13 m (unter Kiel und Flossen in Parkstellung) – Tiefgang Volllast: 2,23 m (unter Kiel und Flossen in Parkstellung) – Verdrängung Volllast: 445 t – Bruttoraumzahl: 499 GT
Gäste: 12 Personen (4 VIP-/Gästekabinen + 1 Eignersuite) – Crew: 9 Personen (4 Crew-Kabinen + 1 Kapitänskabine)
Kraftstoffkapazität: 55.000 l – Frischwasser: 10.000 l – Schwarzwasser/Grauwasser: 9.000 l – Wasseraufbereitung: 12.000 l/Tag
Hauptmaschinen (mit SCR): 2 x CAT C32 ACERT, 1.081 kW @ 2050-2150 rpm, IMO Tier III – EPA Tier 4 – Generatoren: 2 x CAT C7.1, 118 ekW – 400V – 50 Hz
Max. Geschwindigkeit: 16 kn – Reichweite bei 10 kn: 4.000 sm